Abnehmspritzen erobern den Markt und setzen Pharma-Riesen massiv unter Druck

Ozempic, Wegovy und Mounjaro: Abnehmspritzen mit dem Wirkstoff GLP-1 gelten als medizinische Wunderwaffe. Neue klinische Daten zeigen, wie GLP-1 bisherigen Therapieverfahren den Rang abläuft und somit für viele Pharmaunternehmen zum Problem wird. Die globale Unternehmensberatung Kearney schätzt das durchschnittliche Umsatzrisiko für Unternehmen im Gesundheitsbereich von 21 bis 23 Prozent bis zum Jahr 2033 und mit der Fett-weg-Pille kommt schon der nächste Gamechanger auf den Markt.

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Zürich/Düsseldorf, 8. Juli 2024. In der Schweiz gelten 43 Prozent der erwachsenen Bevölkerung als übergewichtig. Unter Adipositas leiden 12 Prozent. Innerhalb von 30 Jahren hat sich der Anteil der adipösen Menschen sogar verdoppelt. Tendenz steigend. Eine rasche Lösung versprechen Wirkstoffe wie z. B. das in den Abnehmspritzen enthaltene Peptidhormon GLP-1. Es gilt bereits jetzt als Blockbuster der Medizingeschichte, dem Bloomberg einen 80-Milliarden-Dollar-Markt vorhersagt. GLP-1-basierte Medikamente erhöhen die Insulinausschüttung, unterdrücken das Hungergefühl und können in einem Jahr zu einer Gewichtsabnahme von bis zu 15 Prozent führen. Das Problem für die Konkurrenz: Ihre Produkte werden teilweise obsolet. Nachdem Novo Nordisk im Oktober 2023 positive Nachrichten zu einer Studie mit Ozempic bei Nierenerkrankungen bekannt gegeben hatte, sackte die Aktie von FMC zeitweise um fast ein Viertel ab. «Man kann sagen GLP-1 ist der neue, grosse, disruptive Faktor in der Pharmabranche. Allerdings stützt sich die mit dem Präparat verbundene Marktangst meist noch nicht auf zuverlässige Daten», erklärt Florian Leschinsky, Partner und Managing Director bei Kearney.

Bisher müssen die Kosten für eine Therapie mit der Abnehmspritze in der Regel aus eigener Tasche bezahlt werden. Seit März 2024 übernehmen die Krankenkassen die Behandlung unter strengen Vorschriften. Wer sich Wegovy spritzen will, muss stark oder sehr stark übergewichtig sein und mindestens an einer gewichtsbedingten Erkrankung leiden. Der Krankenkassenverband Santésuisse rechnet mit Mehrkosten von mindestens 300 Millionen Franken pro Jahr.

Minus 5 Prozent bei Insulinmedikamenten

GLP-1-Produkte sind aufgrund ihrer Wirksamkeit und der vielen Anwendungsgebiete, die sie berühren, zu einer riesigen Variablen in der Pharma- und Medizintechnikindustrie geworden. Leschinsky geht von einem durchschnittlichen Umsatzrisiko für Unternehmen im Gesundheitsbereich von 21 bis 23 Prozent bis zum Jahr 2033 aus. GLP-1-Produkte bedrohen den Insulinmarkt zum einen durch ihre direkte positive Wirkung auf den Blutzuckerspiegel, zum anderen durch ihren Einfluss auf Patienten ohne Diabetes, die andernfalls einen Typ-2-Diabetes entwickelt hätten. «Unter Berücksichtigung von hochwertigen Studiendaten zur Verringerung der Zahl von Prädiabetes-Patienten gehen wir von einem Rückgang der Gesamtnachfrage nach Insulin bei Typ-2-Diabetes um 5 Prozent aus», so Leschinsky. Im Hinblick auf Herzerkrankungen sei die SELECT-Studie besonders aussagekräftig gewesen. Sie beobachtete eine Verringerung der nicht-tödlichen Herzinfarkte bei Patienten, die das Antidiabetikum Semaglutid erhielten, um 28 Prozent. Auch die wichtigsten Markenmedikamente für die Akutbehandlung von Herzinfarkten wurden von Kearney analysiert und aus der SELECT-Studie eine Reduktion des Risikos von 25 Prozent abgeleitet.

Gesunde Nieren, weniger Knie- und Hüft-OPs

Zuletzt haben sich die Anzeichen gemehrt, dass Semaglutid auch bei chronischen Nierenerkrankungen hilft. «Auf Grundlage diverser Primärdaten und Dialysenutzungsraten bei Patienten mit Nierenversagen im Endstadium haben wir einen Rückgang der Dialysenutzung um zwölf Prozent bis 2033 geschätzt», so Leschinsky. Ebenso gilt Fettleibigkeit als Risikofaktor für die Entwicklung von Knie- und Hüftarthrose. Erste Daten deuten darauf hin, dass sich die Zahl der Kniegelenkersatzoperationen bei Patienten, die GLP-1 erhalten, aufgrund der Gewichtsabnahme halbiert. So kann mit einem stetigen Rückgang an Operationen gerechnet werden, der sich bei Kniegelenkersatz noch deutlicher als bei Hüftgelenkersatz auswirken wird.

Next Big Thing Fett-weg-Pille?

Auch Boehringer Ingelheim könnte in puncto Abnehmpräparat ein attraktiver Launch gelingen. Das Pharmaunternehmen will ein Medikament auf den Markt bringen, das neben GLP-1 auch eine Glukagon-artige Komponente enthält, die den Energieverbrauch im Körper erhöht. Mit seinem neuen Wirkstoff Survodutide will Boehringer Ingelheim damit nicht nur bei der Gewichtsreduktion helfen, sondern auch die Fettleberentzündung, die im Rahmen von Stoffwechselerkrankungen auftritt, besser adressieren. All diese Entwicklungen zeigen: Angesichts der enormen Ausgaben der Gesundheitssysteme, die mit Fettleibigkeit zusammenhängen – in den USA sind es etwa rund 300 Milliarden US-Dollar jährlich – werden an GLP-1-Produkte viele Hoffnungen geknüpft.

Über Kearney

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, 2024-07-08