Den aktuell grassierenden Rezessionsängsten zum Trotz läuft die Schweizer Wirtschaft erstaunlich rund. Laut einer Umfrage von Swiss Export und der globalen Unternehmensberatung Kearney ist auch die Stimmung unter Schweizer Mittelstandsunternehmen positiv. Sorgen bereiten die steigenden Energie- und Rohstoffpreise.
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Zürich, 12. September 2022. Ukraine-Krieg, Inflation, Energiekrise sowie steigende Leitzinsen sorgen in ganz Europa für Rezessionsängste. Trotzdem ist die Stimmung beim Schweizer Mittelstand weiterhin gut - sogar besser als im letzten Jahr. Zu diesem überraschenden Ergebnis kommt eine Umfrage, die swiss export und die Managementberatung Kearney im Juni 2022 zum fünften Mal und in diesem Jahr mit den Partnern Raiffeisen Schweiz und der Bystronic AG durchgeführt haben. Befragt wurden rund 565 exportorientierte Schweizer kleine und mittelständische Unternehmen (KMU). «Wir waren überrascht, wie optimistisch die Schweizer KMU sind. Es scheint, als wären sie trotz des Drucks von vielen Seiten besser als zuvor auf Krisen vorbereitet. Die meisten erwarten weiterhin Umsatz- und Margenwachstum für das Jahr 2022.», fasst Fabian Siegrist, Kearney-Partner und einer der Autoren der Studie, die Ergebnisse zusammen.
Steigende Umsätze erwartet
73 Prozent der befragten KMU beurteilen ihre wirtschaftliche Lage als «gut bis sehr gut», nur fünf Prozent «schlecht bis sehr schlecht» (Vorjahr: zwölf Prozent). Der Blick auf die Zukunft bleibt optimistisch. Zwei Drittel der befragten KMU gehen weiterhin von einer «guten bis sehr guten» wirtschaftlichen Lage in den kommenden drei Jahren aus. «Das ist zwar eine Verschlechterung gegenüber dem Frühjahr 2021 - damals waren es 76 Prozent -, stimmt uns aber dennoch positiv, da der Anteil der Unternehmen, die von einer schlechten bis sehr schlechten Lage ausgehen, mit fünf Prozent stabil geblieben ist. Im Vorjahr waren es drei Prozent.», sagt Partner Dr. Christof Ledermann, der die Zürcher Niederlassung von Kearney leitet. «Mut macht, dass 87 Prozent der befragten KMU auch für das Jahr 2022 mindestens gleichbleibende oder sogar steigende Umsätze erwarten.»
Unterschiede sind nach Branchenzugehörigkeit festzustellen. So wird die Stimmung in der Maschinenindustrie mit 74 Prozent als «gut bis sehr gut» leicht besser beschrieben als in der Dienstleitungsindustrie mit 68 Prozent, der Optimismus bleibt aber industrieübergreifend gross. Teilnehmer der diesjährigen Studie verteilen sich vorwiegend auf die Maschinenindustrie (16 Prozent, Vorjahr: 23 Prozent), Dienstleitungsindustrie (13 Prozent, Vorjahr: 8 Prozent), Metallverarbeitung (10 Prozent, Vorjahr: 8 Prozent) und Elektronik/ Elektrotechnik (5 Prozent, wie Vorjahr).
Hohe Energie- und Rohstoffpreise sorgen für Unsicherheit
Dennoch ist eine leichte Eintrübung der Zukunftsaussichten festzustellen. Mit Blick auf die nächsten zwölf Monate gehen lediglich 49 Prozent von «sehr guten oder guten» wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen aus. Sorgen bereiten insbesondere die steigenden Energie- und Rohstoffpreise: 84 Prozent erachten dies als grösstes Konjunkturrisiko. Entsprechend sieht auch die grosse Mehrheit in der künftigen Preisentwicklung den wichtigsten Faktor für den eigenen Geschäftserfolg.
Mit den steigenden Energie- und Rohstoffpreisen verbunden sind die Engpässe in den globalen Lieferketten. Diese von der Pandemie ausgelöste Problematik hat sich durch den Krieg in der Ukraine verstärkt. Mittlerweile betrachten 63 Prozent der Befragten die Rohstoffverfügbarkeit als Konjunkturrisiko. Die Mehrheit ist von den Auswirkungen des Krieges direkt betroffen: Über zwei Drittel beklagen Preissteigerungen bei Rohmaterialien und -komponenten, 44 Prozent Unterbrechungen von Lieferketten und 41 Prozent einen erschwerten Zugang zu Rohstoffen und Vorprodukten. Nur 21 Prozent spüren überhaupt keine Auswirkungen des Krieges.
Fachkräftemangel als Konjunkturrisiko
Darüber hinaus beunruhigt vor allem der Fachkräfte- und Personalmangel die Unternehmen. Die Situation verschärft sich zusehends und mittlerweile sehen 44 Prozent im Zugang zu Arbeitskräften ein Konjunkturrisiko. Der Anteil der Nennungen hat sich seit der letztjährigen Umfrage beinahe verdoppelt. Andere Themen, die im letzten Jahr noch brisant waren, sind hingegen in den Hintergrund getreten: Neben globalen Gesundheitsrisiken haben auch aussen- und finanzpolitische Themen an Relevanz verloren.
Für mehr als ein Viertel der Befragten gehört die Sicherung des Fachkräftebedarfs zu den wichtigsten Anliegen an die Politik. Das macht deutlich: Die Verfügbarkeit gut ausgebildeter Fachkräfte wird zum entscheidenden Faktor für weiteres Wachstum. Davon wird der künftige Erfolg der Schweizer KMU massgeblich abhängen.
Nachhaltige Lieferketten als Wettbewerbsfaktor
Durch die anhaltenden Engpässe bei der Beschaffung von Rohstoffen und Komponenten erhält die Nachhaltigkeit der eigenen Lieferketten für Schweizer KMU eine immer grössere Bedeutung. Die pünktliche Lieferung von Produkten und Dienstleistungen ist in vielen Branchen längst zu einem zentralen Einkaufskriterium für Kunden geworden. Der wichtigste Faktor bei der nachhaltigeren Gestaltung der Lieferketten ist für die Befragten denn auch die Liefersicherheit, gefolgt von der Kosteneffizienz. Höchste Priorität haben damit im aktuellen Umfeld die ökonomischen Aspekte der Nachhaltigkeit.
Nachhaltigkeit ist für den Grossteil mehr als ein Lippenbekenntnis: Drei Viertel haben bereits Nachhaltigkeitsinitiativen in die Praxis umgesetzt oder tun dies zurzeit. Rund die Hälfte dieser Unternehmen verstehen Nachhaltigkeit und insbesondere nachhaltige Lieferketten schon heute als integralen Bestandteil der Unternehmensstrategie. Dass die Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie meist direkt in der Verantwortung des CEO liegt, unterstreicht die strategisch hohe Bedeutung des Themas. Die Umfrage zeigt deutlich, dass das Thema in der Breite angekommen ist: 39 Prozent erachten die Bedeutung im Unternehmen als hoch und 45 Prozent als mittel. Dabei betrachten die meisten Nachhaltigkeit als Chance – und nicht etwa als Herausforderung.
Als wichtigsten Treiber für Investitionen in Nachhaltigkeit geben die meisten der Befragten Eigeninitiative an. Weitere Beweggründe sind die Preisentwicklung von Rohstoffen, Energie und anderen Inputfaktoren, das gesteigerte öffentliche Umweltbewusstsein, das Engagement gegen den Klimawandel sowie der Druck von Kunden. Letztere haben offenbar einen wesentlichen Einfluss auf die Nachhaltigkeitsbestrebungen: 60 Prozent der Befragten melden, dass ihre Kunden die Sozial- und Umweltverträglichkeit mittel bis sehr stark gewichten.
CO2-Reduktion hat oberste Priorität
Neben ökonomischen Kriterien sind auch ökologische und soziale Faktoren für eine grosse Mehrheit wichtig. Diese dürften künftig weiter an Bedeutung gewinnen. Knapp die Hälfte der Befragten gibt an, in Zukunft jährlich zwei bis über zehn Prozent des Umsatzes in die Nachhaltigkeit ihrer Lieferketten zu investieren. Oberste Priorität hat dabei für die meisten die CO2-Reduktion. Ebenfalls wichtig sind Themen an der Schnittstelle von Kosteneffizienz und Umweltverträglichkeit. Fast die Hälfte der befragten Unternehmen beabsichtigt, in die Verbesserung der Energieeffizienz sowie in die Reduktion von Rohmaterial- und Energieverbrauch zu investieren.
Die Befragten erhoffen sich von diesen Investitionen eine Verbesserung des Aussenbildes, eine Erhöhung der Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit sowie eine stärkere Differenzierung im Wettbewerb. Dabei gilt es allerdings einige Hindernisse zu bewältigen – schliesslich erfordern nachhaltige Lieferketten die Mitarbeit verschiedenster Partner entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass die befragten KMU die Motivation der eigenen Lieferanten und die Auswahl der richtigen Partner zu den grössten Herausforderungen zählen.
Durchführung der Studie
Die KMU Mittelstandstudie wird seit 2018 jährlich erhoben und misst den Puls der kleinen und mittleren Schweizer Betriebe. Im Juni 2022 haben Kearney und swiss export mit den Partnern Raiffeisen Schweiz, dem Raiffeisen Unternehmerzentrum RUZ und der Bystronic AG eine Befragung bei 565 Unternehmen durchgeführt. Der Fokus der diesjährigen Umfrage lag auf dem Thema Nachhaltigkeit, mit einem Schwerpunkt auf nachhaltigen Lieferketten.
, 2022-09-12